Deutsche Romantik

Die deutsche Romantik war eine kulturelle und künstlerische Periode, die von etwa 1795 bis 1840 andauerte. Sie entwickelte sich als Reaktion auf die Rationalität der Aufklärung und die gesellschaftlichen Umwälzungen der Französischen Revolution.

Merkmale der deutschen Romantik

Die deutsche Romantik zeichnete sich durch Innerlichkeit, Naturverbundenheit und einen Fokus auf das Mystische aus. Sie fand Ausdruck in verschiedenen Bereichen:

Literatur

  • Autoren: Novalis, E.T.A. Hoffmann, Ludwig Tieck, Clemens Brentano, die Brüder Grimm
  • Themen: Sehnsucht, das Übersinnliche, Beziehung zwischen Mensch und Natur
  • Symbol: Die „blaue Blume“ als Ausdruck von Sehnsucht und Streben nach dem Unendlichen

Malerei

  • Künstler: Caspar David Friedrich
  • Typische Motive: Nebellandschaften, Ruinen, Wälder, Einsamkeit

Musik

  • Komponisten: Franz Schubert, Robert Schumann, Felix Mendelssohn Bartholdy, Richard Wagner
  • Merkmale: Emotionen, das Unbewusste, erzählerische Elemente

5. Die Wiederentdeckung des Mittelalters

Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Romantik war die Rückbesinnung auf das Mittelalter, das von den Romantikern idealisiert wurde. Das Mittelalter wurde als eine Zeit betrachtet, in der Glaube, Gemeinschaft und Kunst eine Einheit bildeten – ein scharfer Kontrast zur Fragmentierung und Entzauberung der modernen Welt. Diese Idealisierung zeigte sich in der Literatur, Malerei und Architektur.

  • Literarisches Beispiel: Walter Scotts historische Romane, etwa Ivanhoe (1819), beeinflussten auch die deutsche Romantik, während Novalis’ Heinrich von Ofterdingen (1802) den mittelalterlichen Minnesang und die Mystik thematisierte.
  • Kunst und Architektur: Die Nazarener griffen mittelalterliche Stile auf, und die Neugotik wurde zu einer beliebten architektonischen Bewegung.

6. Philosophie und Religion

Die Romantik wurde stark von den philosophischen Strömungen des deutschen Idealismus beeinflusst, insbesondere durch Denker wie Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte und Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Diese Philosophen betonten die Rolle des Subjekts in der Wahrnehmung der Welt und legten den Grundstein für die romantische Idee, dass Kunst und Poesie eine Brücke zur Erkenntnis des Unendlichen sein könnten.

Die Romantik war auch eine Bewegung, die die Spiritualität neu interpretierte. Während die Aufklärung Religion oft rationalisierte, suchten die Romantiker das Mystische und Unergründliche. Novalis erklärte: „Die Welt muss romantisiert werden“, und sah in der Poesie ein Mittel, die göttliche Dimension der Wirklichkeit zu erfassen.

Historischer Kontext der deutschen Romantik

Die deutsche Romantik entstand am Ende des 18. Jahrhunderts und erreichte ihren Höhepunkt im frühen 19. Jahrhundert. Sie entstand in einer Zeit des Wandels und der Unsicherheit. Die politischen Umwälzungen durch Napoleon, das Ende des Heiligen Römischen Reiches, die beginnende Industrialisierung und die kulturelle Fragmentierung Deutschlands schufen ein Gefühl der Orientierungslosigkeit. Die Romantik antwortete darauf mit einem Blick nach innen – zur Natur, zur Vergangenheit und zur Kunst als Quelle von Sinn und Identität. Gleichzeitig legte sie den Grundstein für viele künstlerische und philosophische Entwicklungen, die weit über ihre Zeit hinausreichten.

1. Die Spätphase der Aufklärung und der Klassik

Die Romantik war eine Reaktion auf die Aufklärung und die klassizistische Kultur des 18. Jahrhunderts. Die Aufklärung betonte Vernunft, Rationalität und wissenschaftlichen Fortschritt, während die Romantik eine Rückbesinnung auf Emotion, Intuition und das Mystische suchte.

Die deutsche Klassik, repräsentiert durch Dichter wie Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, strebte nach Harmonie, Ordnung und universellen Idealen. Doch während die Romantik ihre Wurzeln in der Klassik hatte, stellte sie sich bewusst gegen deren strenge Rationalität und betonte das Unvollkommene, das Individuelle und das Unerklärliche.

2. Die Französische Revolution (1789) und ihre Folgen

Die Französische Revolution hatte nicht nur Frankreich, sondern ganz Europa erschüttert. Die Revolution verkündete Ideale wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, löste aber auch eine Welle von Gewalt und Chaos aus. Während einige Romantiker die revolutionären Ideen begrüßten, sahen andere darin eine gefährliche Folge der übertriebenen Rationalität der Aufklärung.

  • Napoleonische Kriege (1803–1815): Nach der Revolution begann Napoleon Bonaparte seinen Aufstieg und führte Europa in eine Phase intensiver politischer und militärischer Instabilität. Die Besetzung Deutschlands durch französische Truppen führte zur Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahr 1806 und zur Entstehung des Rheinbundes unter Napoleons Kontrolle.

Diese Ereignisse hinterließen bei vielen deutschen Intellektuellen ein Gefühl der Ohnmacht, des Verlustes und der Identitätssuche. Die Romantiker suchten Trost in einer idealisierten Vergangenheit, insbesondere im Mittelalter, das sie als eine Epoche spiritueller Einheit und kultureller Blüte betrachteten.

3. Das Ende des Heiligen Römischen Reiches und die deutsche Kleinstaaterei

Mit der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches 1806 zerfiel Deutschland in zahlreiche kleine, unabhängige Staaten. Diese Kleinstaaterei erschwerte die politische Einheit und förderte das Bewusstsein für eine fragmentierte Identität. Die Romantik reagierte darauf, indem sie ein kulturelles „deutsches Erbe“ idealisierte, oft durch die Wiederentdeckung von Volksliedern, Märchen und mittelalterlicher Dichtung.

  • Beispiele: Werke wie Des Knaben Wunderhorn von Clemens Brentano und Achim von Arnim oder die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm reflektierten den Wunsch, eine gemeinsame kulturelle Identität zu schaffen.

4. Die Industrialisierung und der Fortschritt

Die frühen Anzeichen der Industrialisierung in Europa begannen, die Gesellschaft grundlegend zu verändern. Die Mechanisierung der Arbeit, die Urbanisierung und die ersten Formen eines modernen Kapitalismus schufen soziale Spannungen und ein Gefühl der Entfremdung. Die Romantik war eine Reaktion auf diese Entwicklungen und suchte in der Natur, in einfachen Lebensweisen und in spiritueller Reflexion einen Gegenpol zur zunehmenden Technisierung und Rationalisierung.
  • Romantische Antwort: Caspar David Friedrichs Gemälde wie Der Mönch am Meer (1810) und Der Wanderer über dem Nebelmeer (1818) symbolisierten die Erhabenheit und das Geheimnis der Natur und setzten sich gegen die profane Sicht der industriellen Welt.

Die Gemeinschaften der deutschen Romantik: Netzwerke, Werke und Visionen

Die deutsche Romantik, eine der prägenden kulturellen Bewegungen des frühen 19. Jahrhunderts, war nicht nur eine Epoche der Kunst und Literatur, sondern auch eine Zeit intensiver intellektueller und künstlerischer Gemeinschaften. Die Romantik war keine fest strukturierte Bewegung, sondern eine Vielzahl miteinander verbundener Kreise, die durch ihre gemeinsamen Ideale verbunden waren. Die Werke dieser Zeit – von Novalis’ Heinrich von Ofterdingen über Des Knaben Wunderhorn bis hin zu Caspar David Friedrichs Landschaften – spiegeln das Streben nach Innerlichkeit, Transzendenz und einer Einheit von Kunst und Leben wider. Diese Gemeinschaften prägten nicht nur die kulturelle Landschaft ihrer Zeit, sondern hinterließen einen nachhaltigen Einfluss auf die europäische Kunst- und Geistesgeschichte. Ihre Ideen und Werke bleiben auch heute aktuell und inspirierend.

1. Der Jenaer Frühromantik-Kreis: Die Geburt romantischer Ideen

Im späten 18. Jahrhundert bildete sich in Jena ein Kreis von Denkern und Künstlern, die die Grundprinzipien der Frühromantik formulierten. Zu den bedeutenden Figuren gehörten die Brüder Friedrich und August Wilhelm Schlegel, der Dichter Novalis, der Schriftsteller Ludwig Tieck und der Philosoph Friedrich Wilhelm Joseph Schelling. Ihre Treffen fanden oft im Haus von Caroline Schlegel statt, die als Gastgeberin und intellektuelle Mitstreiterin eine zentrale Rolle spielte.

Dieser Kreis war geprägt von der Überzeugung, dass Kunst und Poesie das menschliche Leben in seiner Gesamtheit erfassen und transformieren können. Friedrich Schlegel formulierte in seinem Werk Athenäums-Fragmente (1798) den Begriff der „progressiven Universalpoesie“, eine Kunstform, die alle Gattungen und Lebensbereiche miteinander verbindet. Novalis’ unvollendeter Roman Heinrich von Ofterdingen (1802), bekannt für das Symbol der „blauen Blume“, wurde zu einem literarischen Manifest dieser Ideen. Die blaue Blume steht für Sehnsucht, Transzendenz und die Suche nach einem tieferen Sinn.

2. Der Heidelberger Kreis: Bewahrer deutscher Volkskultur

Im frühen 19. Jahrhundert verlagerte sich der Schwerpunkt der Romantik nach Heidelberg, wo sich eine neue Gruppe von Dichtern und Gelehrten um die Sammlung und Erneuerung der deutschen Volkskultur bemühte. Die wichtigsten Mitglieder dieses Kreises waren Clemens Brentano, Achim von Arnim und die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm.

Brentano und Arnim veröffentlichten die Sammlung Des Knaben Wunderhorn (1805–1808), eine Zusammenstellung von Volksliedern, die zum Sinnbild der romantischen Begeisterung für das Volkstümliche und das Ursprüngliche wurde. Parallel dazu begannen die Brüder Grimm ihre Arbeit an den Kinder- und Hausmärchen (1812), die tief in der deutschen Kultur verankert sind und bis heute als Klassiker gelten. Diese Werke waren nicht nur literarisch bedeutend, sondern auch ein Ausdruck der romantischen Idee, dass die Vergangenheit und ihre Mythen eine Quelle der nationalen Identität und Inspiration sein können.

3. Der Berliner Salon: Romantik und Gesellschaft

Während die Zirkel in Jena und Heidelberg stärker intellektuell und literarisch geprägt waren, spielten die Berliner Salons eine wichtige Rolle bei der Verbreitung romantischer Ideen in die Gesellschaft. Frauen wie Rahel Varnhagen von Ense und Henriette Herz eröffneten ihre Salons als Treffpunkte für Künstler, Schriftsteller und Denker. Hier trafen sich Persönlichkeiten wie Ludwig Tieck und die Brüder Grimm, um über Kunst, Politik und Philosophie zu debattieren.

Die Berliner Salons ermöglichten es, romantische Gedanken in einem breiteren kulturellen Kontext zu diskutieren und zu verbreiten. Werke wie E.T.A. Hoffmanns Erzählung Der Sandmann (1816) spiegeln die Faszination für das Unheimliche und das Unbewusste, die auch in diesen Gesprächen thematisiert wurden.

4. Die Lukasbrüder: Die Erneuerung der Kunst

In der bildenden Kunst formierten sich die Lukasbrüder, auch bekannt als Nazarener, die sich auf die spirituelle und ästhetische Erneuerung durch die Rückbesinnung auf die Kunst des Mittelalters und der Renaissance konzentrierten. Zu dieser Gruppe gehörten Künstler wie Johann Friedrich Overbeck, Franz Pforr und Peter von Cornelius.

Ein Beispiel für ihr Schaffen ist Overbecks Gemälde Italia und Germania (1811–1828), das die harmonische Verbindung von zwei Kulturkreisen darstellt und die romantische Sehnsucht nach Einheit und Spiritualität verkörpert. Die Nazarener betonten, dass Kunst nicht nur Schönheit, sondern auch Moral und Religiosität vermitteln sollte.

5. Wanderungen und Freundschaftsbünde: Romantik in Bewegung

Die Romantik war auch durch eine tiefe Naturverbundenheit und das Ideal von Freiheit und Individualität geprägt. Dichter und Künstler wie Novalis, Ludwig Tieck und Wilhelm Heinrich Wackenroder unternahmen Wanderungen, die sowohl Inspiration als auch Ausdruck ihrer romantischen Weltanschauung waren. Wackenroders Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (1797) betonen die transzendentale Kraft der Kunst und die spirituelle Verbindung zur Natur.

Diese Wanderungen und Reisen waren nicht nur persönliche Erlebnisse, sondern auch eine symbolische Suche nach einem tieferen Verständnis der Welt, wie es etwa in Caspar David Friedrichs Gemälden Der Wanderer über dem Nebelmeer (1818) eindrucksvoll dargestellt wird.